Teil 2

 

Am  nächsten Morgen zog der Großvater saubere Fußlappen und neue Bastschuhe an, nahm den Stecken und ein Stück Brot und trottete in die Stadt. Wanja trug den Hasen hinterher. Der Hase war gänzlich still geworden und nur

ab und zu zuckte er und seufzte krampfhaft.

 

Auf dem Marktplatz der Stadt war es sehr still und schwül. Lange fragten sie die Straßenpassanten nach Karl Petrowitsch, aber niemand gab ihnen eine richtige Antwort. Sie gingen in die Apotheke. Ein dicker alter Mann zuckte ärgerlich die Achseln und sagte: „Das gefällt mir! Reichlich sonderbare Frage! Karl Petrowitsch Korsch – Spezialist für Kinderkrankheiten. Seit drei Jahren praktiziert er nicht mehr. Was wollt ihr von ihm?“ Der Großvater, stotternd vor Hochachtung für den Apotheker und aus Schüchternheit, erzählte vom Hasen. „Das gefällt mir!“, sagte der Apotheker. „Interessante Patienten haben sich in unserer Stadt eingefunden. Das gefällt mir ausgezeichnet!“

 

Er nahm nervös den Klemmer ab, putzte ihn, zwickte ihn wieder auf die Nase und starrte den Großvater an. Nun schwiegen beide. Das Schweigen wurde ungemütlich. „Poststraße! Drei!“ rief der Apotheker auf einmal grimmig. Der Großvater und Wanja schleppten sich gerade noch rechtzeitig zur Poststraße, ehe ein schweres Gewitter losbrach.

 

Karl Petrowitsch spielte etwas Schwermütiges auf dem Flügel, als im Fenster der zerzauste Bart des Großvaters erschien. „Ich bin kein Tierarzt“, sagte er und schlug den Flügel zu. „Ich hab mein Lebtag Kinder behandelt, aber keine Hasen!“. „Ein Kind oder ein Hase – das ist genau dasselbe“, murmelte der Großvater hartnäckig.„Unser Tierarzt ist für solche Sachen nicht zuständig. Er ist Rossarzt, Dieser Hase, kann ich wohl sagen, ist mein Retter, - ich verdanke ihm mein Leben, ich muss ihm Dankbarkeit erweisen, und du sagst, ich soll ihn aufgeben!“

 

Eine weitere Minute lang hörte sich Karl Petrowitsch – ein alter Mann mit gesträubten Augenbrauen – beunruhigt die gestammelte Erzählung des Großvaters an. Zu guter Letzt willigte er ein, den Hasen zu behandeln. Am nächsten Morgen ging der Großvater zurück an den See, aber Wanja blieb bei Karl Petrowitsch, um den Hasen zu pflegen.

 

Einen Tag später wusste die ganze mit Gänsekraut bewachsene Poststraße bereits, dass Karl Petrowitsch einen Hasen behandelte, der sich bei dem furchtbaren Feuer verbrannt und einen alten Mann gerettet hatte. Zwei Tage später wusste bereits die ganze kleine Stadt davon und am dritten Tag kam zu Karl Petrowitsch ein langaufgeschossener Jüngling mit Filzhut, stellte sich als Mitarbeiter einer Moskauer Zeitung vor und bat um ein Interview über den Hasen.

 

Der Hase wurde gesund. Wanja wickelte ihn in ein Wattefetzchen und trug ihn nach Hause.

 

 

Donnerstag 

5. Dezember

Die Hasenpfoten