Ich erinnere mich sehr genau an die Zeit,- Als ich acht Jahre alt war – Und in einem Dorf, ganz nah, doch zu weit, - Als das ich heute jemals hinfahr. – Da war so eine alte Frau: - Stiefschwiegermutter der Tante. –
Die war sehr gut zu mir, und ich war – Nur ein fremdes Mädel aus der Stadt,- das ihr Arbeit machte, - Und Arbeit hatte sie so genug. – Die alte Frau aber brachte – Mir Bücher zum Lesen und kochte für mich – Und für mich allein Schokolade – Und lächelte, wenn ich las, und strich – Mir den Scheitel, der schief war, gerade. – Und flocht mir die Zöpfe. Ich war ja noch klein – Und sie verlangte nichts von mir, Als da zu sein und glücklich zu sein.- Vielleicht verdanke ich ihr – Einen Überschuss zum Weitergeben: - Was sie tat, das tat sie leicht. – Merkwürdig ist, wie fremdes Leben – Ins eigne hinüberreicht…-
Wie lange ist diese Frau nun schon tot, - die man Luise nannte, - Und die vielleicht außer mir, dem Kind, - Keiner wirklich kannte… Die andern haben sie nicht geliebt, das spürte ich genau. Ich glaube, sie war kinderlos und war die dritte Frau des Hausherrn, der sehr schweigsam war. Mir war, als wär sie allen im Weg. - Und ich hatte Angst, dass man sie auszankt, - weil sie gut zu mir war. – Und mich quält heut: hab ich ihr damals gedankt? – Sie strich mir doch übers Haar?
Eva Strittmatter |
19. Dezember |