19. Dezember

In jenem Neuhof ist Helmut Haberkamm das Wortungetüm  von der Überschrift begegnet: Hütstäägschösselfesthallvürrichtungsdängk“  Es erinnert an das kulinarische Dreigestirn von Franken und Thüringen Bratwurst, Bier und Klöße. In diesem Fall vor allem an die  Klöße, die thüringisch  „Hüts“ genannt werden. „Jeder Alteingesessene (das gilt allerdings nicht nur für Neuhof)  weiß ein Lied davon zu singen von der langwierigen, heiklen und kraftzehrenden Prozedur, die früher für die Zubereitung von Klößen vonnöten war. Sobald die Rede darauf kommt, beginnt ein Strom an Erklärungen und Erinnerungen: Wie viele rohe und gekochte Kartoffeln man brauchte. Wie der Brei quackern musste, bis die anderen Kartoffeln hinzukamen, und wie das dann geschlagen werden musste mit einer „Zwerbel“. Das ist eine Art Rührstab, handgeschnitzt aus Fichten- oder Tannenholz. Dafür verwendete man ausgediente Weihnachtsbäume, die entrindet und geglättet wurden, dass nur ein halbes Dutzend fingerlange Zweigansätze am unteren Ende übrig bleiben. Beim Umrühren des „Ardäffelbreis“ benötigte man zwei Personen: eine zum Schlagen, eine zum Halten. Außer man besaß eine Hütstäägschösselfesthallvürrichtungsdängk“, also eine Vorrichtung zum Festhalten der Schüssel mit dem Kloßteig darin.  (Hochdeutsch- ein Kloßteigschüsselfesthaltvorrichtungsding).

 

So lang das Wort auch ist, es  hat natürlich  nur eine winzige Bedeutung in diesem Neuhof. Ganz anders als  die Dorfkneipe, die in zwei früheren Klassenzimmern in Eigenregie betrieben wird. Sie ist das  Herz des Dorfes. Zweimal pro Woche ist es offiziell geöffnet, aber jeder kann jederzeit hinein, wenn er einen Schlüssel hat – und es kursieren viele Schlüssel im Dorf. Was man trinkt, trägt man in eine Liste ein, auf Treu und Gewissen. Das funktioniert einwandfrei. Und wenn man die Leute fragt, was besonders positiv  in Neuhof  ist, dann wird das immer  hervorgehoben:  der Zusammenhalt, das Miteinander von Jung und Alt.

 

Christel Fleischmann    nach „Kleine Sammlung fränkischer Dörfer“

Helmut Haberkamm und Annalena Weber 

Pfeil nach rechts:

Oder wissen Sie, was ein Hütstäägschösselfesthallvürrichtungsdängk“ ist?

 

In seiner „kleinen Sammlung fränkischer Dörfer“, stellt  Helmut Haberkamm 20 kleine Dörfer vor– allesamt haben sie unter 150 Einwohner. Dabei geht er der Frage nach: Was prägt und beeinflusst das Denken und Empfinden der Einwohner in den kleinen Orten „draußen auf dem flachen Land“ -in einem vermeintlichen „Kaff in der Pampa“ wie man es vorschnell abtut und belächelt.  Wie lebt es sich hier für die Einwohner? Was verbinden sie mit ihrem Wohnort? Was schätzen sie, was vermissen sie? Was ärgert sie, was hält sie?

Wo Franken und Thüringen aneinander grenzen, liegt der Landkreis Hildburghausen und

darin der Ort Neuhof Gemeinde Kloster Veßra mit seinen 135 EinwohnerInnen.