Die Kanzel unserer Kilianskirche - ein großartiges Zeugnis

 

                      fränkischer Schnitzkunst der Renaissancezeit.

                                                                                                  

                                                                                        Helmut Ottmüller

 

Lange Zeit wurde unsere Kanzel von Georg Brenck, Vater und Sohn, aus dem

Jahr 1621 gegenüber den Glasmalereien des Chorraums aus dem Ende des

14. Jh. als weniger bedeutsam eingeschätzt. Die Figuren sind nicht mehr so fein

wie andere, die 100 Jahre früher von Schnitzern wie Tilman Riemenschneider

geschaffen wurden. Für ein evangelisches Gotteshaus sind die Darstellungen

sehr bunt und bewegt. Noch in der ersten Hälfte des 20.Jh. bevorzugte man in

evangelischen Kirchen schlichte Brauntöne gegenüber allzu viel Farbe. Wilhelm

Funk aus Neustadt/Aisch, der 1938 ein kleines Buch über die Werke der

Bildschnitzerfamilie Brenck herausgab, empfand noch die einfachere, ebenfalls

1621 entstandene Kanzel von Sommerhausen als schöner, weil sie unbemalt

blieb, also die schlichte Naturholzfarbe behielt. Warum unsere Brenck-Kanzel

von Anfang an in Ansbach, für dessen Markgrafenkirche St. Johannis sie ursprünglich geschaffen war, nie richtig gewürdigt wurde, ist nicht bekannt. Die Geringschätzung wird aber deutlich an den lediglich 80 Gulden, für die sie 1716 den Markt Erlbachern angeboten wurde. Für Transport und Reparatur zahlte Markt Erlbach 1717 immerhin 129 Gulden. Dabei hatte die Kanzel für Ansbach ursprünglich 1209 Gulden gekostet. Davon erhielten 430 Gulden die Brencks, 639 Gulden der Maler und Ratsherrn Samuel Regius. Der Rest war für Transportkosten, Hilfsdienste und Wein (18 Gulden!) für Handwerker und Künstler. (Schweikert S. 214f.)

 

Erste Untersuchungen zu Georg Brenck und seinen Nachfolgern, zu ihren Werken und dem zeitlichen Umfeld wurden im letzten Jahrhundert angestellt mit Georg Bruhns und seiner Schrift von 1923: "die Würzburger Bildhauer der Renaissance und des Barock 1540 - 1650". Weiter führten die Arbeiten von Wilhelm Funk, der neben versch. Aufsätzen 1938 ein Büchlein herausgab mit dem Titel: "Die Bildschnitzerfamilie Brenck aus Windsheim. 100 Jahre fränkische Bildhauerkunst." Die darin enthaltene Aufzählung der bekannten Werke Georg Brencks brachte mich um 1990 dazu, alle erhaltenen Kunstwerke aufzusuchen, zu fotografieren und mich damit zu befassen. Erheblich weiter brachten uns die Arbeiten der Erlanger Kunsthistorikerin Christine Schweikert, die über die Brenck-Familie und ihre Werke ihre Doktorarbeit schrieb. Sie übernahm dann auch die fachliche Betreuung der großen Sonderausstellung über die Brencks und ihre Werke, die 2002 und 2003 zuerst im Freilandmuseum Bad Windsheim und dann in Kulmbach gezeigt wurde, wohin Nachkommen Georg Brencks später ihre Werkstatt verlegten. Die Leihgabe aus Markt Erlbach, die dort gezeigt wurde, war der Evangelist Matthäus. Das Buch von Frau Schweikert zur Ausstellung, aus dem die meisten Informationen dieses Beitrags sind, trägt den Titel: "Brenck, Leben und Werk einer fränkischen Bildschnitzerfamilie im 17. Jahrhundert" (Verlag Fränk. Freilandmuseum, Bad Windsheim 2002).

 

Um sich die Leistung Georg Brencks (1564/65 -1635) vor Augen zu führen, muss man sich klarmachen, dass es am Ende des 16. Jh. keine berühmten Schnitzer- und Bildhauerwerkstätten mehr gab. Am Anfang des 16. Jh. war der Höhepunkt spätgotischen Schaffens erreicht. Die Auseinandersetzungen der Reformationszeit, nachlassende Stifterfreudigkeit, reserviertere Einstellung zu Bildern in Kirchen hatten die sakrale Kunst fast zum Erliegen gebracht. Die neuen Anfänge künstlerischen Wirkens erfolgten in einem neuen Stil, den man Renaissance nennt. Das französische Wort bedeutet Wiedergeburt. Während die Söhne und Enkel von Georg Brenck, dem Älteren, bei ihm das Schnitzen lernen konnten, fing er selbst als Schreiner an, der Möbel baute und teilweise mit Figuren verzierte, aber sich dann erst in seinen Wanderjahren als Bildschnitzer fortbilden konnte und unter anderem in Leipzig, Braunschweig und Erfurt künstlerische Vorlagen für sein späteres Schaffen fand, zum Beispiel Kanzeln mit als Figur ausgebildetem Mittelfuß. Bei den meisten seiner Bilder und Bildszenen lassen sich graphische Vorlagen z.B. von Johann, Raphael und Aegidius Sadeler (zw. 1550 und 1629) nachweisen, die damals in Drucken günstig zu erwerben waren und die ihrerseits auf  Gemälde des Niederländers Marten de Vos (1532-1602) u.a. zurückgingen. (Schweikert S. 9, 12, 83f., 215f.)

 

1590 wurde Georg Brenck d.Ältere als Bürger und Schreinermeister in Windsheim aufgenommen und heiratete Eva Grasser, die Tochter eines Creglinger Pfarrers. Sein künstlerisches Wirken begann mit kleineren Aufträgen in Windsheim und Orten der Umgebung, wo er Kanzeln, Kruzifixe, Gedenktafeln oder Verzierungen an Orgelgehäusen anfertigte. Seine ersten großen Werke schuf er für unterfränkische katholische Kirchen, so 1610 den gewaltigen Altar der Stadtkirche in Ochsenfurt (mit Figuren aus Holz und Alabaster) und 1616 den Altar in Frickenhausen. Mehrere unterfränkische Dorfkirchen unter dem Patronat der Adelsfamilie von Zobel stattete er mit Altären und Kanzeln aus. Durch ein hölzernes Epitaph für den Hohenzollern-Markgraf Georg-Friedrich von Bayreuth und seine beiden Gemahlinnen im Jahre 1615 sicherte er sich und seinen Nachkommen die Auftraggeberschaft des bedeutendsten fränkischen Herrscherhauses. Auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit erhielt er den Auftrag für den 1621 fertig gestellten besonders prächtigen "Predigtstuhl" für die Ansbacher Markgrafen-Kirche, seit 1717 in Markt Erlbach. Er wurde vielfach der "Windsheimisch Bezaleel" genannt. Bezaleel war in der Bibel der beste Schnitzer und Goldschmied Israels, der die heiligen Kunstgegenstände für das Bundeszelt (bei Luther Stiftshütte genannt) anfertigte. Sein Sohn Georg Brenck, 1593 geboren und bereits 1639 verstorben, war 1621 bereits Meister und wirkte an dem bedeutenden Werk maßgeblich mit. Mit einiger Vorsicht lässt sich sogar an kleinen stilistischen Unterschieden erkennen, welche Teile vom älteren und welche vom jüngeren Brenck geschaffen wurden. Ab 1625 ließen die Kräfte des Vaters Brenck nach und wurden die Aufträge weniger. Der 1618 begonnene 30-jährige Krieg war bald auch in Windsheim zu spüren und wirkte sich aus. Das letzte Werk das der jüngere Brenck in der Windsheimer Werkstatt schuf, stammt aus dem Jahr 1638. (Schweikert S.14-16)

 

Was war nun die besondere Leistung Georg Brencks, des Älteren? Er war nach vielen Jahrzehnten ohne bedeutende sakrale Kunst ein Pionier unter den Schöpfern kirchlicher Kunstwerke und entwickelte einen evangelischen Stil, obwohl er in seiner Anfangszeit auch für katholische Kirchen gearbeitet hatte. Gerade der Aufbau unserer Kanzel zeigt, wie sehr er sich mit der Bibel und mit evangelischem Heilsverständnis auseinandergesetzt hat. Sein Schwiegervater oder ein anderer ihm nahe stehender Theologe hat dabei wohl beraten. Ein solches Programm gab es vorher nicht. Diese Kanzel predigt sich selbst. Die Grundlage unseres Glaubens ist die Thora (Gottes im Alten Testament niedergelegtes Recht, mit dem Namen Mose und den 10 Geboten verbunden). Was für Christen vorbildlich ist, drücken die 6 Tugenden aus, die in Form von Frauengestalten (Karyatiden) den Kanzelkorb stützen. Wächter über Gottes Recht und zugleich Vorboten eines neuen Bundes sind in den Flachfeldern des Kanzelkorbs 4 Propheten und David, der als Psalmendichter hier dazu gerechnet wird. Darüber sind die Zeugen des Neuen Bundes, die 4 Evangelisten und dazu im 5. Feld der Apostel Paulus, alle in Muschelnischen. Die Muschel, die auch schon in der antiken Kunst vorkommt, gilt als Keimzelle neuen Lebens und symbolisiert hier wohl das ganz neue an der christlichen Botschaft. Auf dem Kanzeldeckel finden sich dann in einem äußeren und einem inneren Ring je 6 Apostel  als Zeugen und Lehrer der neuen Botschaft. Das wichtigste daran, ist, dass Christus für uns gestorben und auferstanden ist. Deshalb haben wir über den Aposteln 6 Engel mit sogenannten "Waffen Christi" in der Hand. Gemeint sind Marterwerkzeuge, mit denen Jesus am Kreuz und vorher gequält wurde. Den oberen Abschluss bildet der auferstandene Christus, der mit der linken Hand die Siegesfahne hält und mit der rechten Hand die Seinen segnet. Eine weitere Besonderheit ist die Gegenüberstellung alttestamentlicher Geschichten mit passenden Geschichten aus dem Neuen Testament. (Eherne Schlange mit der Kreuzigung in der Kanzeltür und Opferung Isaaks mit der Bezeichnung Jesu als Gottes Lamm durch den Täufer Johannes am Kanzelaufgang). Über die einzelnen Figuren und ihre Bedeutung informiert am kürzesten der 1990 von Josef Dettenthaler verfasste Kleine Kunstführer aus dem Verlag Schnell & Steiner S. 10-11). Neu im evangelischen Bereich war auch der Hinweis mit künstlerischen Mitteln auf Glanz und Herrlichkeit um die frohe Botschaft, die von der Kanzel verkündigt wird. Dies geschah durch die vielen Engelsköpfe und Engelsblenden, deren Gesichter freilich viel ernster und weniger wohlgenährt aussehen als die lustigen pausbäckigen Gesichter am ca. 100 Jahre später von Stefan Hirstel in Wilhermsdorf geschaffenen Barockaltar. Es geschah auch durch das viele verwendete Gold und die vielen gemalten Edelsteine, wozu der Ansbacher Stadtrat und Maler Samuel Regius meisterhaft beitrug.

 

Dass die in Ansbach abgebrochene Kanzel sich ohne große Eingriffe so gut in den Markt Erlbacher Chorraum einfügte war ein Glücksfall. Der Bezug zu Ansbach blieb dabei durch die Stifterwappen erhalten (3 große über der Kanzeltür v.l.n.r.: Graf zu Solm-Sonnenwalde, Markgrafschaft Brandenburg und Stadt Ansbach und am Kanzelkorb die Wappen von 5 einflussreichen Ratsherren). Wahrscheinlich war 1717 die erste großartige Farbfassung schon übermalt. Für den neuen Standort wurde sie von Caspar Tröster erneuert. Weitere Übermalungen folgten. Bei der letzten Innenrenovierung durch den Nürnberger Kirchenmaler Hermann Wiedl in Nürnberg wurde die ursprüngliche Farbschicht freigelegt und ergänzt. Dabei wurden allerdings auch die Inschriften früherer Kirchenmaler über Renovierungen übermalt.  Bei einigen Wappen stimmen die Farben einzelner Felder nicht. Bei einigen Figuren fehlen die Attribute. Holzschäden im oberen Bereich des Kanzeldeckels wurden im Jahr 2005 durch die Firma Rainer Wiedl repariert. (Schweikert S. 214f.)

 

Pfarrer Helmut Ottmüller sei gedankt für diesen Beitrag über unsere Kanzel.

Er war von 1985 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 Pfarrer von St. Kilian Markt Erlbach

Die Brenck-Kanzel von 1621